Bei einer Rückreise aus unserer Partnerstadt Vreden erinnerte sich Bernd Raum, dass eine Radsportgruppe aus dem Partnerkreis Non-Stopp nach Bad Liebenwerda gefahren ist. So kam ihm die Idee, mit unserem Verein, dem „SUN-SORT-TEAM Elsterwerda“ von Elsterwerda nach Vreden zu fahren. Als Herr Raum unserer Gruppe im Sommer 2023 den Vorschlag unterbreitete, gab es zunächst betretenes Schweigen, bis der erste meinte: „Das machen wir. Wann gehts los“.
So einfach war es nun doch nicht. Solch eine Unternehmung braucht natürlich eine gründliche Vorbereitung und auch das entsprechende Training der Teilnehmer.
Erster Punkt, ein geeigneter Termin musste gefunden werden. Am besten Mitte Juni, denn dort ist es am längsten hell. Denn für etwa 600 km muss man eine Nacht durchfahren.
Nach mehreren Beratungen stand fest. Lukas Rosanke, Tom Alsdorf, Andreas Hönisch und Christian Benkhardt fahren die gesamte Strecke durch. Jan Stiehler, Tilo Pollack, Ralf Hönisch, Bert Bräunig und Bernd Raum wechseln sich so ab, dass immer mindestens 6 Fahrer auf der Strecke sind.
Nun konnte Bernd Raum das Vorhaben den Bürgermeistern in Elsterwerda und Vreden bekannt geben. Die erste Reaktion von Anja Heinrich, der Bürgermeisterin von Elsterwerda: „Ihr seid verrückt“. Dann aber gleich: „Da müsst ihr mich aber mitnehmen!“. Die „Förderrichtlinie der Stadt Elsterwerda für Begegnungen im Rahmen der Städtepartnerschaft“ machte eine finanzielle Unterstützung des Unternehmens möglich. Der Bürgermeister von Vreden Dr. Tom Tenostendarp war davon ebenso begeistert.
Das Fahrerteam präsentiert sich sehr differenziert. Lukas Rosanke ist mit 27 Jahren der Jüngste und Bernd Raum mit 78 der mit Abstand Älteste. Unsere Mädels Nadin Sirakowski und Jana Spinde wollen auch ein Stück mitradeln.
Lukas und Andres planen die Strecke akribisch. Tom organisiert 4 Begleitfahrzeuge und als Fahrerteam Mario Friedel und Holger Posselt für den Bus von „SV Preußen“ Elsterwerda. Vielen Dank dem Verein dafür. Ronny Wachsmann und Jana fahren einen Pkw mit Fahrradträger genauso wie Frank Müller und Ralf, der in den Fahrpausen Frank unterstützen will. Den Stadtbus fahren Anja Heinrich und Nadin.
Mario kümmert sich noch zusätzlich um die Verpflegung und weitere Details und Einzelheiten. So können alle Teilnehmer mit einheitlichen Shirts auftreten und waren sofort als Teilnehmende dieses verrückten Vorhabens erkennbar. Die Fahrzeuge erhalten für die Heckscheibe einen Aufkleber mit dem Hinweis: „SUN-SPORT-TEAM Elsterwerda“ – 570 km bis Vreden!!! Radsportveranstaltung voraus!!!“
Das sollte sich als sehr hilfreich erweisen. Alle, wirklich alle, die uns überholten, waren rücksichtsvoll und vorsichtig.
Nachdem meine 3.600 km Trainingsfahrten seit Januar 2024 absolviert wurden, die Taschen mit Verpflegung, Ersatzteilen und Wechselsachen gepackt waren, trafen wir uns am Freitag, den 14. Juni um 11:00 Uhr auf dem Marktplatz. Ebenso haben sich Verwandte und Bekannte zur Verabschiedung eingefunden. Dazu noch unsere Vereinsmitglieder Dirk Biebach, Peter Hoyer, Stephan Lipsky und Harald Rindfleisch, die uns auf den ersten Kilometern unterstützen wollen. Eine tolle Geste.
Letzte Absprachen wurden getroffen und dann wurde unsere Fahrt vom Vorsitzenden Tilo Pollack mit einer Schweigeminute für unseren plötzlich und unerwartet verstorbenen Vereinskameraden und Sportler Volker Böhm eröffnet.
Punkt 12.00 Uhr rollt der Konvoi unter dem Beifall der Anwesenden, angeführt vom Preußen-Bus, vom Markt. Der Bus mit Mario am Steuer war über die gesamte Strecke das verlässliche Führungsfahrzeug.
Die ersten Kilometer waren unruhig und jeder dachte ehrfurchtsvoll an die noch weite Strecke bis Vreden. Der erste Streckenabschnitt führt über Mühlberg, durch die Dahlener Heide über Eilenburg und Leipzig nördlich tangierend zum Schladitzer See, wo nach 105 km die erste Pause geplant ist.
Alle Fahrer und Betreuer mussten sich auf der Strecke stets aufeinander abstimmen, ein geeignetes Tempo musste gefunden werden und ein guter Rhythmus musste her. Schon kurz vor Neuburxdorf der erste Stopp und die Regenjacken mussten übergestreift werden. Nach kurzem Schauer war dieser aber vergessen und die Bedingungen wurden wieder besser, der Wind war okay, der Rhythmus war gefunden und die ersten Kilometer wurden souverän abgespult. Dirk und Harald Biegen ab. In der Dahlener Heide wurde es hügelig und einige wenige Regentropfen fallen. Aber alles nichts im Vergleich zu dem, was noch kommen soll.
In Eilenburg verabschieden sich Peter und Stephan, wir bedanken uns für die Unterstützung, die beiden freuen sich nun auf ein Eis und radeln dann wieder nach Hause. Gegen Ende der ersten Etappe im Leipziger Neuseenland wurde es wieder hektischer, der Wochenendauftaktverkehr nahm zu, kleine Umleitungen mussten gefahren werden und die Strecke war gespickt von kleinen Kurven und Kehren. Meine persönliche Ernährungsstrategie war auch noch nicht die passende, sodass ich leer gefahren sehr froh darüber war, die Pause zu erreichen. Meine Rettung zur Wiederherstellung meines Wohlbefindens waren dann 2 Stück frischen Kuchen gereicht von der Bürgermeisterin und eine kalte Cola. Was für ein Genuss.
In der Pause füllten alle Fahrer Ihre Getränke und Verpflegungsvorräte für den nächsten Abschnitt auf und die Strategie für die 2. Etappe wurde besprochen. Exakt im Zeitplan liegend ging es über Schkeuditz und Halle entlang der parallel verlaufenden A38 nach Kelbra am Fuße des Kyffhäusers. Dieser maß 109 km. Rund um Leipzig und Halle war aufgrund des Freitagsnachmittagverkehrs und vieler verwinkelter Fahrradwege eine schwierige Phase, da kein so richtiger Rhythmus aufkam. Jedoch zeigte die Korrektur meiner Ernährungsstrategie Wirkung und von da an hatte ich keine weiteren Probleme mit schwinden Kräften aufgrund von mangelnder Verpflegung. Nachdem die Städte hinter uns lagen, waren ideale Bedingungen, der Wind lies nach, die Straßen waren gut und mit nur wenigen Ampeln und Kreuzungen konnten wir flüssig pedalieren. Bernd hatte in der Pause Jan in der Staffel abgelöst und absolvierte seinen ersten Abschnitt. Aber noch vor Sangerhausen musste er aufgeben.
„Die Jungspunde ballern die Hügel hinauf, dass mir die Luft wegbleibt. Eigentlich wollte ich es bis Kelbra schaffen aber ich will die Gruppe ja auch nicht bremsen. Immerhin habe ich 96 km auf den Fahrradcomputer.“ so Bernds lockere Reaktion.
In freudiger Erwartung auf eine Portion Nudeln mit Tomatensauce bei der nächsten Pause kurbelten wir munter weiter und genossen die Fahrt in den Abend. Auch eine kleine Panne durch einen Plattfuß konnte uns nicht beeinflussen und wir fuhren konzentriert und harmonisch einen Kilometer nach dem anderen. Die bis dahin beste Phase unserer Fahrt. Die Straßen leerten sich, die Vorfreude auf das Eröffnungsspiel der EM half dabei. In den Dörfern konnte man erkennen, dass die Leute sich zum gemeinsamen Fußballschauen treffen. Gegen 20 Uhr erreichten wir den Campingplatz der Talsperre in Kelbra. Die Nudeln wurden bestellt. Die Wartezeit nutzen wir mit den Vorbereitungen für die bevorstehende Nacht. Die Beleuchtung wurde montiert, die Sonnenbrillen wichen den Brillen mit klaren Gläsern. Wir zogen uns wärmer an, auch lange Handschuhe kamen zum Einsatz. Die Getränke und die Verpflegung für die 3. Etappe wurden in den Trikottaschen verstaut und dann standen auch schon die Teller mit den Nudeln auf dem Tisch und wir ließen es uns schmecken. Die Stimmung war locker und es herrschte Zufriedenheit, dass wir die ersten beiden Etappen so gut meistern konnten. Ralf übergab an Jan.
Frisch gestärkt ging es zum nächsten Abschnitt, dieser führte uns nach Thüringen, über Nordhausen nach Niedersachen, wo wir den Harz tangierten und mit dem Ziel Northeim die nächste Etappe mit geplanten 95km Entfernung in Angriff nahmen.
Der Flow von vor der Pause konnte mit auf die nächste Etappe genommen werden. Immer wieder forcierte Tom das Tempo, bis ich ihn -so werteten es später die Fahrer- mit dem Spruch des Tages bremsen mußte: „Eine Schnecke weiß mehr vom Weg zu erzählen als der Hase“. Über die Entwicklungen beim Länderspiel wurden wir aus den Betreuungsfahrzeugen auf dem Laufenden gehalten und bei uns lief es ähnlich gut. Der Wind kam faktisch zum Erliegen und wir fuhren dem Sonnenuntergang entgegen. Der Baustil und die Landschaft ließ es erkennen, wir waren im Harz angekommen.
Bei einsetzender Dämmerung wurden die Lichter eingeschaltet. 5 Tage vor der Sommersonnenwende war die Nacht zwar kurz, aber leider eine verhältnismäßig dunkle Nacht sollte es werden. Die Temperaturen sanken und die zusätzliche Kleidungsschicht zahlte sich aus.
Die ersten 30 Kilometer bei absoluter Dunkelheit waren sehr fordernd, nicht wegen der Betätigung der Pedalen, sondern die Fahrt bei der Dunkelheit in einer großen Gruppe mit Begleitfahrzeugen war für alle sehr anspruchsvoll. Hochkonzentriert kamen die Gespräche in der Gruppe in dieser Phase völlig zum Erliegen. Nach zirka 1,5 Stunden Nachtfahrt erlangten alle Fahrer etwas Sicherheit in ungewohnter Umgebung und man konnte die ganzen Lichter, Reflektionen und Schatten richtig einschätzen. Das galt auch für die Begleitfahrzeuge. Besonders unser Führungsfahrzeug, welches uns stets sicher und zuverlässig von Mario und dessen Co-Pilot und Navigator Holger den Weg durch die Nacht zeigte. Mit dieser erlangten Konstanz ging es nun zielstrebig zum Autohof nach Northeim, wo die nächste Pause zur kurzen Erholung geplant war. Bisher verlief die Nachfahrt sehr gut, die Laune war gut. Auf dem Autohof in Northeim angekommen, konnten wieder die Vorräte aufgefüllt werden und der nächste Abschnitt besprochen werden. Wir lagen exzellent im Zeitplan und konnten mit 45 Minuten Vorsprung die nächste Etappe angehen. Die 4. Etappe war mit geplanten 47 km die kürzeste, der Weg führte uns nach Holzminden, wo ein amerikanisches Spezialitätenrestaurant mit dem großen goldenen „M“ mit einer Öffnungszeit bis 4:00 Uhr unser Ziel war.
Eine kleine Umleitung zu Beginn konnte uns nicht aus dem Tritt bringen und es lief weiter gut, alle Beine kurbelten souverän weiter, zielsicher steuerten wir die Räder und Begleitfahrzeuge nach Holzminden durch die Nacht. Landschaftlich lässt sich zu dieser Zeit nichts sagen, es war dunkel. Vereinzelt kamen noch Fußballfans aus den Kneipen und wunderten sich doch etwas über unsere Kolone. In Holzminden angekommen bestaunten uns einige wenige Nachtschwärmer, wir füllten routiniert unsere Vorräte auf, bereiteten uns auf die nächste Etappe vor. Jan übergab wieder an Ralf. Diese Etappe führte jetzt schon nach NRW, über Detmold ging es zum 73km entfernten Campingplatz „Am Furlbach“, wo unser Cheforganisator Andreas eine Duschmöglichkeit und ein Gemeinschaftsraum für ein stärkendes Frühstück nach der Nacht organisiert hatte. So starteten wir wieder mit etwas Vorsprung zum Zeitplan, mit dem Nahziel, dass es in einer Stunde wieder hell sein wird und gegen 6:00 Uhr eine Dusche und frische Kleidung auf uns warten. Der Wind frischte mit einsetzender Dämmerung auf, so dass jetzt wieder Teamarbeit für ein zügiges und kraftsparendes Vorankommen wichtig waren. Eine Stunde vor Erreichen der nächsten Pause setzte Regen ein, der leider in einem so starken Platzregen endete, der uns zu einer Pause im Wald unter Bäumen und in den Begleitfahrzeugen zwang. Dort warteten wir die schlimmste Phase ab und entschieden uns dann, die letzten 12 km bis zum Zeltplatz durchzuziehen. Die schwierigste Phase unserer Fahrt. Völlig durchnässt und durchgefroren kamen wir am Campingplatz an.
Die Besatzung des Campingplatzes ist zwar noch nicht vor Ort, ein
herzlichst vorbereiteter Zettel hieß uns herzlich willkommen, welch tolles Gefühl, daß wir so unterstützt werden. Alle Fahrer wechselten rasch die Sachen und wärmten sich mit Decken auf, während die Betreuer uns eifrig ein herzliches Frühstück bereiteten, was die Strapazen der letzten 2 Stunden etwas vergessen machten. Für die nächsten 4 Stunden sollte nun die Wetter-App mit dem Regenradar unser ständiger Begleiter sein.
Aufgrund der Wetterlage verlängerten wir die Pause, um möglichst trocken unsere Tour fortsetzen zu können. Der Zeitplan rückte in den Hintergrund und wir mussten vernünftige Entscheidungen treffen, um sicher nach Vreden zu kommen.
Wieder trocken, warm und gestärkt mit aufgefüllter Verpflegung starteten wir zur vorletzten Etappe, geplant waren nun 84km über Bielefeld und Warendorf nach Münster. Das Wetter schien sich zu bessern, eine Stunde fuhren wir unter guten Bedingungen auch mit etwas Sonne weiter, ehe die Wolken über uns sich verdunkelten. Gelernt aus den Erfahrungen vom letzten Regenguss suchten wir frühzeitig Unterschlupf in einer Bushaltestelle. Kaum dort angekommen setzte wieder starker Regen ein, der Wind frischte weiter auf und wir wurden erneut zu einer Zwangspause von rund 90 Minuten gezwungen. Regelmäßig wurde das Regenradar geprüft, es gab eine Lücke von zirka 30 Minuten und eine Tankstelle in 15 Kilometer Entfernung. Das ist unser nächstes Zwischenziel. Mit dem letzten Regentropfen stiegen wir sofort wieder aufs Rad und der Konvoi setzte seine Reise fort. Leider war die vom Regenradar prophezeite trockene Phase nur 10 Minuten lang, so dass wir wieder im Regen die Tankstelle erreichten. Dort konnten wir uns wärmen und einen heißen Kaffee genießen. Allerdings wurde es nun stets heller, die dunklen Wolken vom Himmel verschwanden komplett und wurden durch sonnige Phasen ersetzt. Jedoch die Fahnen der Tankstelle verrieten nichts Gutes, es war starker böiger Wind aus Süd-West.
Diese Umstände ließen die nächsten 40km bis Münster sehr schwer werden. Nach der Pause hieß es nun wieder ruhig anfahren und auf nach Münster. Wieder musste mannschaftlich geschlossen und diszipliniert gefahren werden, um alle Fahrer gut ans Ziel zu bringen. Es folgte wieder eine sehr schwierige Phase, der Speckgürtel von Münster mit engen Radwegen verhinderte eine gute Gruppenfahrt, der Sturm ließ viele Äste auf den Fahrradwegen zurück, es war eine sehr unruhige Fahrt, ständige Abbrems- und Anfahrmanöver, zunehmender Ampelverkehr und der stetige Gegenwind machten die Fahrt nach Münster zu einem weiteren Härtetest. Aufgrund der Radwegesituation hatten sich die Begleitfahrzeuge schon Richtung nächster Pausenstation aufgemacht, da die Verkehrslage keine Konvoifahrt zuließ. Endlich in Münster angekommen, war es ein Erfolg, über 3-4 grüne Ampeln eine grüne Welle zu erwischen um die ständigen Anhalte- und Anfahrmanöver zu minimieren. Unter aller Hektik und der Vorfreude auf die bestehende Pause führte uns die Tour am Schloss Münster vorbei, wo wir uns dennoch die Zeit für ein Foto nahmen. Der von der Ferne aus geplante Parkplatz als letzte Pause entpuppte sich vor Ort als nicht geeignet, so dass wir uns trotz Hunger und aufgebrauchter Verpflegung für eine langsame Fahrt entlang der Route entschieden, um dann am Ortsaugang von Münster ein Einkaufszentrum zu finden, welches für unser letzte Pause brauchbar war. Noch kurz den Standort an die Begleitfahrzeug gesendet und nach 10 Minuten waren unsere Schatzkisten mit Verpflegung wieder da. Auch die nachgereisten Jana und Ronny stießen zu uns. Sie bringen Nadins Rennrad mit. Da Nadin noch etwas jünger als Lukas ist, starten in die letzte Etappe die Jüngste und Bernd als Ältester Seite an Seite.
Die letzte Etappe stand an, 69 km bis Vreden durch NRW in westlicher Richtung. Allen Beteiligten war klar, das wird unter den aktuellen Windbedingungen eine ganz harte Nummer, es ist noch mit zirka 3 Stunden Fahrzeit gegen den Wind zu rechnen. Jedoch bestand bei keinen, weder bei Fahrern noch Betreuern, im Ansatz Zweifel, es nicht zu schaffen. Auch alle Staffelfahrer machten sich fertig, nahmen die Fahrräder von den Trägern und wollten helfen, um in einer möglichst großen Truppe dem Wind zu trotzen. Es wurde wieder ruhig losgeradelt und locker pedaliert, die nun größte Gruppe auf unserer Fahrt stimmte sich aufeinander ab und fuhr zielstrebig Richtung Vreden. Auch die zwei letzten kleineren Anstiege konnten uns nicht mehr aus dem Rhythmus bringen.
Diese Phase war geprägt von vollkommener Euphorie Vreden zu erreichen und das zu erwartende Glücksgefühl, unser alle Ziel erreicht zu haben. Auch die nun nur zweite kleine Panne, wieder ein Plattfuß, konnte locker weggesteckt werden. Die Betreuer reparierten schnell. Die kleine Pause wurde von allen Beteiligten gern angenommen, die Sonne wärmte uns, wir genossen die 5 Minuten Entspannung besonders für das Sitzfleisch. Ich konnte allerdings keinen der Fahrer dazu animieren, zur Auflockerung ein paar Hock-Strecksprünge zu machen.
Am Gescher Damm, 15 km vor Vreden reihen sich alle aktiven Raffahreri n die Gruppe ein. Auch Jana wird als aktive Radsportlerin den Marktplatz in Vreden erreichen. Unser Konvoi umfasste nun alle 11 Radler, was für ein tolles Bild. Die letzten Kilometer fühlten sich für die vier Durchfahrer an wie eine Nachspielzeit im Fußball.
Um 16.05 Uhr, nach 28 Stunden und 5 Minuten darf Bernd als Erster den Bürgermeister von Vreden begrüßen. Da er schon mal in Vreden war, wusste Bernd den Weg exakt und navigierte uns zum Marktplatz.
Der Bürgermeister und der erste Beigeordnete sowie eine Mitarbeiterin hatten uns erwartet und uns herzlich willkommen geheißen und uns zu dieser Wahnsinnsleistung gratuliert. Was für ein herzlicher und respektvoller Empfang. Diese Augenblicke werde ich nie vergessen.
Und dann zeigt es sich wieder, der Mantel des Erfolgs legt sich über alles, was war. Über jeden harten Trainingskilometer, über jeden Regenschauer, über heftigen Gegenwind, über müde Beine, über eine schmerzendes Gesäß, über zwei Pannen, einfach über alles.
Wir schnaufen kurz durch, machen uns am Springbrunnen auf dem Vredener Marktplatz etwas frisch und werden zu einem etwas verspäteten Mittagessen vom Bürgermeister der Stadt Vreden eingeladen, das nach den vielen Riegeln und Gels natürlich gefeiert wird. Sehr gefragt sind jetzt auch herbere Getränke. Die Stimmung ist ziemlich ausgelassen. Wir übereichen der Vredener Empfangsdelegation einen Fahrradhelm und ein Trikot unseres Vereins mit den Unterschriften aller Teilnehmer der Fahrt.
Zu siebent radeln wir dann die letzten 10 km bis zum Hotel in Zwillbrock, einem Ortsteil von Vreden. Der andere Teil der Gruppe kommt in den Autos nach. Das Hotel liegt direkt an der Grenze zu den Niederlanden, welche noch kurz besucht wurde. Tom haben wir dann auch vom Fahrrad geholt, der war nach der langen Strecke noch so gut in Form, der wäre auch noch durch die Niederlande bis ans Meer gefahren. Nun genießen alle die warme Dusche, Dann folgen Abendessen, Smalltalk bei zunehmender Müdigkeit und der wohlverdiente Schlaf.
Die Fahrt in einfachen Fakten, wir waren 28 Stunden und 5 Stunden Non-Stopp unterwegs, wir sind 21 Stunden gefahren, die Solisten legten 585 Kilometer mit einem Schnitt von 27,8km/h zurück, dabei wurden 3.000 Höhenmeter bezwungen, ich verbrauchte ca. 13.000 kcal und drehte die Kurbel 87.192 mal durch. Die Gruppe fuhr insgesamt 3.867 km. Es gab keinen Unfall, 2 Reifenschäden – immer bei Bert – und keinerlei Kritiken von den Teilnehmern.
Ich bin überwältigt, was bei zielgerichteter Teamarbeit möglich ist, wenn alle konsequent ein Ziel verfolgen und alles dafür tun, diese zu erreichen, alle persönlichen Empfinden hinten anstellen, jeder für einander da ist und jeder auf den anderen achtet, Weltklasse!
Zudem auch noch aus meiner Sicht eine riesige Anerkennung an die andere drei Solisten. Andreas, der neben zuverlässiger Leistung stets ein ruhiger Ansprechpartner beim Fahren war und seine große Erfahrungen auf dem Rad immer voll eingebracht hat. Tom, der die besten Beine von uns hatte, stets auch mehr Führungsarbeit geleistet hat, der immer noch hätte schneller fahren können und stets für einen Lacher beim Fahren gut war. Und Lukas, der von uns die kürzeste Radsportkarriere hat und nach der kurzen Zeit so eine Tour routiniert fährt, Hut ab. Es war mir eine Freude, mit euch zu radeln.
Im Nachgang betrachtet, verspüre ich einfach extrem viel Dankbarkeit und Zufriedenheit.
Dankbarkeit, dass ich nach meiner Tour nach München im Jahr 2011 noch einmal so eine Route gefahren habe.
Dankbarkeit, das erleben zu dürfen und das ich dabei sein durfte.
Dankbarkeit an meine Familie, die mir das ermöglicht hat und die vielen Trainingsstunden toleriert hat.
Dankbarkeit an den Ideengeber Bernd und Organisatoren, da besonders Andres , Lukas und Mario, die sehr viel Zeit investiert haben, so etwas Tolles entstehen zu lassen.
Dankbarkeit an die Betreuer, die uns stets sicher navigiert haben, uns verpflegt haben, uns im Verkehr vorn und nach hinten beschützt und gesichert haben, einfach immer da waren und auf die wir uns immer verlassen konnten. Und am Rande bemerkt ist es eine genauso wahnsinnige Leistung, uns über 28 Stunden zu begleiten und stets auf neue Situationen zu reagieren. Ohne euch wäre es nie möglich gewesen.
Zufriedenheit für die eigene Leistung und ganz viele tolle Eindrücke, Erlebnisse, Emotionen und Erinnerungen zu haben, die mir nie jemand nehmen kann.
Abgerundet wurde diese Reise durch viele Gespräche auf dem Rad und in Pausen, auf einen super sozialen Umgang und eine tiefe emotionale Verbindung auf ein sportliches Lebenshighlight eines jeden, der daran beteiligt war.
Nach einem leckeren und reichhaltigen Frühstück lässt es sich der Vredener Bürgermeister nicht nehmen, uns persönlich zu verabschieden.
Der Heimweg erfolgt mit den Begleitfahrzeugen.
Und am Rande bemerkt, eine tolle Geschichte, dass uns die Bürgermeisterin an Ihrem Geburtstag, den sie, wie sie sagt, nie vergessen wird, begleitet hat. Das ist auch für uns Sportler eine Form der Anerkennung.
Ein wahnsinniges intensives Wochenende, das keiner je vergessen wird…
Christian Benkhardt unter Mitwirkung von Bernd Raum